Die deutschen Haushalte zahlen mehr für Strom als jedes andere europäische Mitglied. Der Grund dafür sind die hohen Steuern, Abgaben und Zuschläge.
In Deutschland zahlen die Verbraucher so viel für Strom wie nirgendwo sonst
Im ersten Halbjahr 2021 sind die Preise noch einmal gestiegen. Das Handelsblatt hat als einziges Unternehmen Zugriff auf die Halbjahresbilanz von einem bekannten Vergleichsportal.
Ein Haushalt mit einem Jahresstromverbrauch von 4000 Kilowattstunden (kWh) musste im Januar noch 1171 Euro zahlen. Sechs Monate später betragen die Kosten bereits 1197 Euro. Das bedeutet, dass der Verbraucher 26 Euro mehr zahlen wird. Über 130 Anbieter haben Preiserhöhungen angekündigt oder durchgeführt. Die Tendenz ist steigend, insbesondere bei den günstigeren Neukundentarifen, bei denen der Verbraucher deutlich sparen kann.
Thorsten Storck, Stromexperte, sagt, dass trotz steigender Großhandelspreise der Trend der Preisentwicklung nach oben geht: „Die Mehrheit (820) der örtlichen Grundversorger hat ihre Strompreise in diesem Jahr nicht erhöht und befindet sich immer noch auf dem Spitzenniveau!“.
Deutschland ist seit vielen Jahren Spitzenreiter in Europa. Die Bundesrepublik hat mit 30 Cent einen niedrigeren Durchschnittspreis pro kWh als alle anderen Mitglieder. An zweiter Stelle liegt Dänemark mit 28 Cent pro Kilowatt und an dritter Stelle Belgien mit 27 Cent.
Das liegt an der hohen Zahl von Steuern, Abgaben und Zuschlägen, die hierzulande auf den Strompreis aufgeschlagen werden. Diese Zuschläge machen inzwischen rund zwei Drittel des Endkundenpreises aus und haben einen großen Einfluss auf die Strompreisentwicklung. Insgesamt hat sich der Strompreis in Deutschland in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt.
Der Großhandelspreis für Strom ist 2020 nicht gestiegen, auch nicht die EEG-Umlage. Laut Michael Claussner, Strommarktexperte und Berater, bleiben die Netzentgelte bestehen. Claussner glaubt, dass die Netzentgelte trotz des geringeren Stromverbrauchs im Jahr 2020 gestiegen sind. Das liegt daran, dass die gleichen Kosten nicht auf so viele Verbraucher umgelegt wurden, die weniger Strom verbrauchen.
Die Kosten für das Netzmanagement sind gleich hoch, egal wie viel oder wenig Strom man verbraucht. Viele Unternehmen haben wochen- oder monatelang keinen Strom verbraucht, so dass die Kosten auf weniger Kunden umgelegt werden konnten. Ein wachsender Anteil an erneuerbaren Energien bedeutet, dass es keine Entlastung gibt. Der Grund dafür ist die Notwendigkeit, das Netz auszubauen. Experten fordern eine Umlage- und Verteilungsreform. Er ist nicht der einzige, der so denkt.
Das umlagepflichtige Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist wiederholt in die Kritik geraten. Es hat den stärksten Anstieg der Haushaltsstrompreise seit dem Jahr 2000 verursacht, abgesehen von 2020. Dies könnte sich jedoch bald ändern. Die Bundesregierung hat aufgrund von Corona eine Begrenzung der EEG-Umlage auf 6,5 Cent pro kWh festgelegt. Außerdem gibt es für Solar- und Windkraftanlagen, die seit 20 Jahren in Betrieb sind, keine Förderung mehr. Sie wurden auf hohem Niveau vergütet, bekommen jetzt aber weniger.
Die Subvention pro Kilowattstunde Ökostrom ist im Laufe der Jahre immer weiter gesunken. Sie wird jetzt an große Wind- und Solarparks versteigert. Der Gewinner ist derjenige mit dem niedrigsten Förderbetrag. Die EEG-Umlage für die Verbraucher ist hoch geblieben, obwohl sie 2017 aufgrund des Anstiegs der geförderten erneuerbaren Energien teurer geworden ist.